Schach, eines der bekanntesten Brettspiele der Welt. Auch für viele Görlitzer ist das königliche Spiel ein schöner Zeitvertreib. Für die Mitglieder vom Schachverein Görlitz 1990 e.V. sowieso. Der Schachverein ist seit einigen Jahren einer unserer Mieter und ist auf der Heilige-Grab-Straße 74 ansässig.
Zusammenschluss aus drei Vereinen
Gerd Posselt ist schon seit Beginn des SV Görlitz 1990 e.V. mit dabei. „Angefangen Schach zu spielen, habe ich 1968 bei Motor Görlitz. Mein Vater hatte schon Schach gespielt und so kam eins zum anderen.“ Görlitz verfügte in der Zeit sogar über vier Vereine. Motor Görlitz, Energie Görlitz und Medizin Görlitz schlossen sich aber 1990 zum heute bekannten SV Görlitz 1990 e.V. zusammen. Seiner Zeit gab es noch Motor Süd-Ost, die sich aber schon im Vorfeld auflösten. Den Beginn einer jahrelangen Schachgeschichte machte aber ein anderer Verein. „Der erste Verein für Schachspieler hier in Görlitz war Post Görlitz“, erinnert sich Gerd Posselt.
Als der König fiel, ging es los
Etwas später kam dann Andreas Weiss in den Verein. Er kommt ursprünglich aus Sachsen-Anhalt und erinnert sich, wie er damals den Weg zum Schach fand: „Das war im Urlaub in Zwönitz, da spielten wir mit Schachfiguren eine Runde Dame. Bis jemand vorbeikam und sagte, mit solchen schönen Figuren solle man doch lieber Schach spielen.“ Daraufhin spielte Andreas Weiss und fand Gefallen daran. Er spielte solange, bis er seinen Vater besiegte, der ihn dann in einem Schachverein anmeldete. Später sollte er gar Präsident im Schachverband Sachsen-Anhalt werden und auch im deutschen Schachverband mitwirken.
Erfolg und Wachstum
Aktuell hat der Verein 70 Mitglieder und ist somit der größte Schachverein in Ostsachsen. „In letzter Zeit gab es auch immer wieder Zuwachs“, erzählt Andreas Weiss, der sich als Mädchen für alles im Verein sieht. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Verein junge Erfolge feiern konnte. So ist die 1. Männermannschaft viermal in Folge aufgestiegen und spielt nun in der Oberliga. Hier sind Teams aus Potsdam, Forst und Leipzig dabei. Auch die zweite Mannschaft holte sich in der vergangenen Saison den Titel des Bezirksmeisters und tritt zur neuen Spielzeit in der Landesklasse an. Neben den acht Mannschaften im Erwachsenenbereich gibt es auch erstmals eine Nachwuchsmannschaft, die mit Connor Passin den aktuellen Jugendmeister in Sachsen stellt. Aber nicht nur in der jüngeren Vergangenheit gab es Görlitzer Erfolge zu feiern, so kommt der ehemalige DDR-Meister Lothar Vogt aus Görlitz. Auch Dr. Gertrud Nüsken, die dreifache DDR-Meisterin, spielte ebenso in Görlitz. Andreas Weiss‘ Tochter, Katharina Weiss, erreichte auch die Titel als Landesmeisterin in Sachsen-Anhalt und Sachsen. Aber das Highlight war ihre Teilnahme an der Schachweltmeisterschaft im Jahr 2002 auf Kreta.
„Der Erfolg kam schneller als wir planen konnten“, sagt Andreas Weiss lächelnd. Nun müssen natürlich auch Fahrtkosten, Schiedsrichterkosten etc. abgedeckt werden. „Deshalb freuen wir uns, dass wir mit Birkenstock einen Sponsor gefunden haben“, fährt er fort. Bald wird der Verein auch mit Vereinsshirts ausgestattet. Der zweite Sponsor ist das SudOst, was bei genauerem Hinsehen nur Sinn macht. Matthias Grall, Chef der kleinen Brauerei auf der Jakobstraße, ist zeitgleich Präsident des Schachclubs.
Wie sieht ein Spieltag aus?
Während eine Mannschaft im Nachwuchs aus sechs Spielern besteht, sind im Erwachsenenbereich acht Spieler in einer Mannschaft. Diese acht Spieler duellieren sich dann jeweils mit einem Spieler aus dem gegnerischen Team. Der Sieger erhält dann einen Punkt für die Mannschaft. Anders als im Fußball, Basketball oder Rugby gibt es im Schach kein Rückspiel. „Die Mannschaften treffen in der Saison nur einmal aufeinander“, erklärt Andreas Weiss.
Schach für Jeden
Den großen Vorteil in dem Brettspiel sehen die beiden Spieler der 2. Mannschaft, Andreas Weiss und Gerd Posselt, darin, dass dieser Denksport keine Altersbegrenzung hat. Im Görlitzer Schachverein ist das jüngste Mitglied sieben Jahre. Der älteste im Verein wird im Dezember 90 Jahre. Es ist Horst Schöbel, der vor einigen Jahren Schach-AGs in einigen Schulen leitete. Andreas Weiss findet: „Zum einen gibt es keine Altersgrenzen, aber was mich zudem fasziniert, ist das Taktieren, Strategien entwickeln und sich in den Gegner hineinzuversetzen.“ Aktuell sind auch 15 polnische Spieler im Verein.
Größtes Turnier in Ostsachsen
Vor dem Osterfest findet jährlich der Internationale Äskulap-Cup statt. Im nächsten Jahr wird am Mittwoch vor Ostern im Jugendhaus Wartburg die 39. Auflage eröffnet. Das Turnier ist eines der größten in Sachsen. Aber anders als im Ligabetrieb ist dieses Turnier ein Einzelwettkampf. Hier zeigen sich viele hochtalentierte Spieler aus dem Osten Deutschlands und Polen. Beim vergangenen Äskulap-Cup konnte sich der Görlitzer Schachverein über 156 Teilnehmer freuen.
Dienstags stehen die Türen offen
Der SV Görlitz 1990 e.V. freut sich über jeden Schachinteressierten. Das Training findet immer dienstags statt. Um 16 Uhr ist der Nachwuchs am Brett, und um 18 Uhr sind dann die Erwachsenen dran. Das Vereinsheim ist auf der Heilige-Grab-Straße 74, in einem Haus welches KommWohnen gehört. Seit 2022 sind die Schachspieler bereits dort und fühlen sich pudelwohl. Andreas Weiss sieht eigentlich nur Vorteile am neuen Standort: „Hier können wir an jedem Tag in der Woche hinkommen und die Räumlichkeiten nutzen. Zudem ist die Straßenbahnhaltestelle um die Ecke ein großer Vorteil.“ Zuvor hatte der Verein seine Räumlichkeiten in der Landskron-Brauerei.
Die letzte Medaille der DDR
Schach gibt es in verschiedenen Variationen. Schnellschach, Blitzschach, 3D-Schach, aber auch das Fernschach. Mittlerweile läuft das ganz einfach über den PC. Damals jedoch wurden noch Postkarten mit dem nächsten Schachzug verschickt. Andreas Weiss erinnert sich: „Das war für uns als Schachspieler in der DDR die Möglichkeit, mit internationalen Gegnern zu spielen. Ich erinnere mich noch, als ich bei der Armee war und ewig auf den Zug meines Gegners wartete. Es stellte sich heraus, dass der Brief eingezogen wurde. Nachdem ich aufgeklärt habe, dass es sich um die WM handle, durfte ich auch weiterspielen.“ Ein großer Wettkampf ist die Fernschach-Olympiade. Das ist der Wettkampf, in dem die DDR ihre letzte Medaille gewann. 1989 begann das Turnier. Die Nationalmannschaft hielt dem Mauerfall stand und spielte noch bis zum Turnierende 1995 zusammen. Die DDR-Auswahl gewann am Ende die Bronzemedaille.
Der Beste seiner Zunft
Zuschauer im Schach gibt es in Görlitz eher wenige. Aber auch dieser Sport hat seine Superstars, die schon den ein oder anderen anziehen. So spielt der aktuell Weltranglistenführende Magnus Carlsen für den FC St. Pauli in der Bundesliga. Für die beiden Görlitzer ist der Norweger der beste Spieler, den es wohl je gab. „Ganz so einfach kann man das gar nicht sagen. Es ist eine andere Zeit. Aber Carlsen hat meiner Meinung nach stärkere Konkurrenz als andere Ausnahmespieler damals, wie Anatoli Karpov, Bobby Fischer oder Garri Kasparov“, meint Gerd Posselt. Wer weiß, vielleicht kommt ja der nächste Bezwinger des großen Norwegers aus Görlitz.