Die Zukunft des Vereinssegelstützpunkts an der Blauen Lagune soll morgen im Görlitzer Stadtrat eine Rolle spielen. Warum das so wichtig für die Zukunft des Hafens Görlitz ist, wohin die Segler sollen und wieso die Entscheidung Auswirkungen auf die touristische Entwicklung der ganzen Stadt haben kann, erklären KommWohnen-Geschäftsführer Arne Myckert und Torsten Berndt, Projektverantwortlicher für den Berzdorfer See bei KommWohnen, hier im Interview.
KommWohnen hat das erste Jahr als Hafenbetreiber hinter sich. Können Sie mit dieser Erfahrung mit einem Segelstützpunkt außerhalb des Hafens, wie es ihn an der Blauen Lagune gibt, leben?
Myckert: Ich weiß nicht, ob wir dazu in diesem Jahr Erfahrungen sammeln konnten. Wir wissen ja alle nicht, wie sich der See weiter entwickelt. Unser Projektentwickler Torsten Berndt und ich sind 2013 mal sehr zuversichtlich aus Dresden abgereist mit der Aussage im Gepäck, wenn wir jetzt den Antrag in Görlitz stellen würden, könnten wir als erster See in der Lausitz die Schiffbarkeit bekommen. Wir haben jetzt 2019, und die letzte Skizze, die ich gesehen habe, weist einen riesengroßen Naturschutzbereich auf dem See aus, der für Boote nicht mehr zur Verfügung steht. Ob wir jemals Motorboote auf dem Berzdorfer See haben werden, kann man sich zumindest sehr fragen. Und natürlich ist es dann schwierig zu prognostizieren, wie viele Menschen es überhaupt noch geben wird, die dann auf dem See Wassersport betreiben wollen, wenn er nur so eingeschränkt nutzbar ist.
Der Segelstützpunkt an der Blauen Lagune ist bis 31. Dezember 2021 an dieser Stelle genehmigt. Schon jetzt laufen Diskussionen, diese Frist zu verlängern. Im nächsten Görlitzer Stadtrat wird es eine Rolle spielen. Wie ist Ihre Position dazu?
Wir haben in der Vergangenheit, wenn es um Wohnungsprojekte ging, immer versucht, mit anderen nebeneinander gut zu existieren. Vielfalt erhöht die Attraktivität. Voraussetzung dafür ist aber immer, dass es einen Markt gibt, der nicht reguliert ist, und das ist der Wohnungsmarkt auch nicht. Der Markt im übertragenen Sinne, also die Nutzbarkeit des Sees, ist aber eben nicht frei, sondern reglementiert. Wir haben nur eine wasserrechtliche Genehmigung, die sehr eng beschreibt, was auf dem See an Nutzung erfolgen darf. Damit gibt es für viele Nutzungsmöglichkeiten Zutrittsschranken. Und da stellt sich schon die Frage, für wie viele Wassersportler überhaupt eine Nutzung denkbar ist. Und wird es einmal deutlich mehr Jollennutzer geben als die 50, 60, die sich jetzt auf den 40 Liegeplätzen an der Blauen Lagune tummeln?
Der Hafen Görlitz ist ja prädestiniert für eher größere Schiffe, die immer im Wasser liegen, und nicht so sehr für Jollen, die man vor jedem Segeln mit dem Trailer ins Wasser zieht. Ist es vorstellbar, die größeren Boote im Hafen zu haben und die kleineren auf dem jetzigen Stützpunkt und trotzdem nebeneinander existieren zu können?
Ein Nebeneinander aus Funktionalitätssicht wäre sicherlich kein Problem. Dass der Hafen nur für größere Boote geplant ist, war wohl nicht der Gedanke bei der Erstellung. Da hat man nicht differenziert. Im strukturellen Rahmenplan ist ja auch ausdrücklich das Wassersportzentrum als alleinige Einrichtung für Wassersport gekennzeichnet. Das war damals das Leitmotiv der Planer. Dafür sind Millionen Euro Investition in den Hafen geflossen. Es sieht so aus, dass wir keine Motorboote auf dem See haben werden. Elektromotorboote sind in der Anschaffung unglaublich teuer. Einsteiger fangen meist mit Gebrauchtbooten an, die jetzt aber gar nicht am Markt verfügbar sind. Der Hafen sieht im Moment nicht sonderlich belebt aus, und das wird sich auf absehbare Zeit kaum ändern. Wir sind angetreten, um hier einen touristischen Anknüpfungspunkt zu schaffen neben der Altstadt und wollen erreichen, dass es viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Tourismusbereich auf der Halbinsel gibt. Wir sind aber abhängig davon, dass potentielle Gäste einen Grund haben, zu uns zu kommen. Der Hafen hat mit seinem maritimen Flair genau diese Ausstrahlung. Da lässt uns schon sorgenvoll in die Zukunft blicken, womöglich keine Jollen mehr im Hafen zu haben und den Wassersportschwerpunkt, der von der Entwicklung geplant war, dort nicht mehr erleben zu können.
KommWohnen hat bereits ein attraktives Alternativareal für die Segler ausgemacht. Warum wird das öffentlich noch nicht beworben?
Wir sind im Moment noch in den Planungen. Wie wir es machen wollen, ist abgeschlossen, die Rahmenbedingungen sind auch geklärt. Wir sind jetzt mit dem Bauantrag beschäftigt. Gleichzeitig schauen wir, dass wir mit der LMBV auch die notwendigen Vereinbarungen treffen, um auch den Böschungsbereich nutzen zu können. Sehr positive Vorgespräche haben wir schon geführt. Wir haben einen Antrag auf Fördermittel nach Paragraph 4 gestellt, über den es Zuschüsse für die Entwicklung in den Bergbaufolgelandschaften gibt. Das Projekt wäre förderfähig. Wir sind also noch sehr stark in dem Prozess. Wir haben ja aber auch Zeit, deswegen fand ich die Befristung des Segelstützpunkts an der Blauen Lagune bis zum 31.12.2021 gar nicht schlecht. Ein Zeitraum, in dem die Nutzung dort nicht infrage steht und in dem wir in aller Ruhe den neuen attraktiven Standort aufbauen können.
Und dieser wäre genauso attraktiv wie der jetzige Stützpunkt?
In der Vergangenheit wurde ja von dem einen oder anderen Segler kritisiert, dass die Hafenausfahrt zu schmal sei, um dort hinauszumanövrieren. Einzelne haben dann auch gezeigt, dass sie da Schwierigkeiten haben. Wir haben jüngere Segler, die das problemlos meistern, es ist also kein generelles Problem, aber dem müssen wir eben Rechnung tragen. Um allen gerecht zu werden, haben wir also den möglichen Jollenstützpunkt an die Hafenausfahrt gelegt, sodass auch für unerfahrene Segler kein Problem besteht, unter Wind aufs offene Wasser zu fahren.
Berndt: Dieser Standort wurde übrigens von allen Beteiligten wie Sächsischem Seglerverband und den Akteuren vor Ort als geeignet empfunden.
Der aufwendige Umzug bliebe dennoch.
M: Von den äußeren Rahmenbedingungen ist der aktuelle Segelstützpunkt mit einem schönen Ausblick auf den See und im Grünen gelegen vergleichbar mit dem, den wir planen. Es gibt an der Ausfahrt des Hafens ja auch ein Freigelände mit freiem Blick auf das Wasser und auf Jauernick, das anscheinend für viele malerisch ist. Wir sind also, was die reine Lage angeht, an unserem Standort bestimmt genauso gut aufgestellt. Wir haben zudem etwas mehr Fläche, sodass Wachstum, wenn sich die Sportabteilungen gut entwickeln, sogar noch leichter möglich wäre als an der Blauen Lagune. Ich habe mich ein bisschen über die Diskussionen gewundert, ob man das den Seglern zumuten kann. Sportler kennen es, hin und wieder ihre Halle wegen Bauarbeiten verlassen zu müssen. Die Ersatzhalle ist nicht so vertraut, man verliert seinen Heimvorteil, und natürlich ist das ein Nachteil und hat Auswirkungen auf den Sport, wenn man den Rahmen verändern muss. Aber das würde im übertragenen Sinn ja den See als solches betreffen. Diesen müssen die Segler ja aber gerade nicht verlassen und sich plötzlich an einer anderen Stelle mit neuen Winden, fremden Böschungsbereichen oder anderem Wellengang auseinandersetzen. Sondern es ist eher so, als ob man die Umkleide wechselt. Und das ist mir im Sport noch nie als nachteilig vorgekommen. Dass hier immer wieder mit einer sehr emotionalen Perspektive dafür geworben wird, dass der Segelstützpunkt an der Blauen Lagune bleiben darf, kann ich gut verstehen aus Sicht derjenigen, die sich das dort zurechtgemacht haben. Aber es soll ja zukünftig ein Campingplatz sein. Das heißt, niemand, der diese Stelle jetzt zu schätzen gelernt hat, darf dort nicht mehr sein. Sondern er kann mit seinem Zelt oder Caravan dort stehen, kann abends grillen und hat einen knappen Kilometer entfernt dann eben seinen Jollenliegeplatz, den man zu Fuß in wenigen Minuten erreicht. Eigenes Entwicklungspotential ist dort auch. Also mich wundert das in der Wahrnehmung ein bisschen.
Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL
Ein Umzug mit Sack und Pack freut doch niemanden.
Wir haben vor einigen Jahren auf Wunsch der Stadtplanung und der großen Mehrheit in der Politik Rückbau in Königshufen betrieben und mussten Mietern, die zum Teil seit der Erbauung der Häuser als Erstbezieher dort gewohnt haben mit einer Kündigung sagen, ihr müsst ausziehen. Das war wirklich dramatisch. Wer seine Wohnung verliert und umziehen muss, und das vielleicht im fortgeschrittenen Lebensalter, der muss sich wirklich ganz neu orientieren. Das sind große Herausforderungen. Da kann ich sehr gut verstehen, dass gehadert wird, warum man mit solchen Belastungen umgehen muss. Und wenn es aus Sicht der Stadtentwicklungsziele angemessen ist, Kündigungen auszusprechen, um die Innenstadt zu stärken, Menschen umziehen zu lassen, andererseits aber der Segler seine Umkleidekabine nicht wechseln soll, dann empfinde ich das als unverhältnismäßig und wundere mich über die Emotionalität, mit der über dieses Thema gesprochen wird.
Und politischer gedacht? Können Sie den Kampf der Gemeinde Schönau-Berzdorf um Erhalt des Segelstützpunkts verstehen?
B: Die Gemeinde hat GRW-Infra-Mittel für die Erschließung des Vereinssegelstützpunkts mit der Zweckbindung von zehn Jahren bekommen. Aber dazu muss dieser Stützpunkt rechtlich zulässig sein, das ist die Grundlage. Und zulässig ist er nur bis Ende 2021 nach der Rechtslage des Bebauungsplans. Welches Recht ist jetzt grundlagenbildend für diesen Fördermittelbescheid? Entweder hat man es billigend in Kauf genommen und gesagt, wir kriegen schon über 2021 hinaus das Recht, das Areal zu nutzen. Die zehnjährige Zweckbindung wäre sonst nur drei Jahre erfüllt. Es könnte also sein, dass für sieben Jahre Zweckbindung die Rechtsgrundlage, nämlich der B-Plan, völlig fehlt. Und es ist interessant, wie die Fördermittelgeber das beurteilen. Und im Zweifel auch diejenigen, die jetzt eine Stellungnahme im B-Plan abgeben, nämlich LMBV, Sächsisches Oberbergamt u.a. Die müssen alle eine Position haben. Und die wissen auch um die Rechtsgrundlagen. Einen Fördermittelbescheid auszureichen vor dem Hintergrund dieses Wissens ist sehr – spannend. Oder die Behörden haben keine Kenntnis vom gegenwärtigen Stand des Verfahrens. Und beides ist gleich schlimm.
Was könnte Schönau-Berzdorf drohen?
B: Im Zweifel wie bei jedem Fördermittelszenario: Wenn man die Bedingungen nicht einhält, ist eine Rückforderung nicht auszuschließen. Da kenne ich genügend Beispiele. Und hier geht’s um viel Geld.
M: Entweder – das muss einen ja sehr wundern – gab’s schon Zusagen, dass dieser Stützpunkt über 2021 hinaus gelten soll. Oder aber, Schönau-Berzdorf hat gesagt, das ist uns ganz egal, wir setzen das schon durch. Das bedeutet aber, dass man zum Zeitpunkt des Fördermittelantrags die Rahmenbedingungen falsch angegeben hat. Insofern ist das durchaus ein heikles Vorgehen an der Stelle, und mich wundert auch sehr, dass auf diese Art und Weise Fördermittel akquiriert wurden in dieser unsicheren Situation. Ich bin auch ein bisschen in Sorge wegen unseres gestellten Paragraph-4-Antrags. Wir wollen Mittel nach einer Verwaltungsvorschrift zur Revitalisierung dieser Bergbaufolgelandschaft nutzen mit dem Ziel einer Verbesserung. Wir gehen davon aus, dass wir mit dem Jollenstützpunkt auch eine notwendige Infrastruktur schaffen. Wenn der Stützpunkt in der Blauen Lagune über 2021 hinaus aufrechterhalten bleiben dürfte, wäre ich in Sorge, dass unser Antrag nicht mehr genehmigt wird. Und das würde bedeuten, dass der Gesellschaft und damit der Stadt Görlitz ein hoher sechsstelliger Betrag entgehen würde. Insofern wären wir tatsächlich geschädigt.
Wie viele Boote müssten nach einer groben Rechnung dauerhaft im Hafen liegen, damit es das gewünschte maritime Flair ergibt, das ja dann auch für die Gäste in den künftigen Ferienhäusern attraktiv ist?
Wir haben aktuell noch keine 50 Boote im Hafen. Ich denke, insgesamt sollten wir 200 aufwärts haben. Das entspricht auch dem, was Tourismusexperten für Häfen in punkto Auslastung, Wirtschaftlichkeit, Nutzungsfähigkeit sagen. Davon sind wir noch reichlich weit entfernt.
Und dieses Ziel zu erreichen, ist ohne die Verlegung des Stützpunkts undenkbar?
Nein, ist es nicht. Es gibt ja einige, die sagen, sie wüssten genau, dass wir noch ganz viele weitere Boote am See haben werden. Der OB hat mehrfach gesagt, dass er glaubt, dass es verschiedene Stützpunkte in Zukunft geben wird. In einer Beratung hat ein Verantwortlicher von der Blauen Lagune gefragt, warum wir nur 80 Liegeplätze planen, er gehe davon aus, dass wir 800 brauchen, seine Erfahrungen vom Cospudener See würden das bestätigen. Das weiß ich natürlich nicht, weil ich genauso wenig wie die anderen eine Kristallkugel habe, aber mir sind solche ins Blaue hinein gesprochenen Vermutungen etwas unheimlich, wenn sie mit einer Absicht erklärt werden. Diejenigen, die bisher gesagt haben, es werde alles kein Problem sein, sind alle Befürworter von einer dauerhaften Lösung an der Blauen Lagune gewesen. Und den Nachweis für ihre Behauptungen hat es bislang nicht gegeben. Signifikante Zuwächse haben wir nicht erlebt. Wir haben einen begrenzten Markt. Wir wissen, dass die Segelschule Schwierigkeiten mit ihrer Auslastung hatte. Es gibt also keinen Boom, obwohl das Gewässer jetzt einige Jahre existiert und gut befahrbar ist. Wir wissen, es gibt in Zukunft durch den Natur-, Umwelt- und Vogelschutz weitere Einschränkungen zu dem jetzigen schiffbaren Bereich, es wird also nicht attraktiver werden. Ob das zu Zulauf führt, wenn sich andere Seen auch weiterentwickeln und in der Regel besser erreichbar sind als der Berzdorfer See, muss man sehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das so erleben, aber sicher sagen kann das im Moment keiner, glaube ich. Solange finde ich es ein sehr großes Risiko, die Entwicklung hier zu lähmen und damit für die Stadt Görlitz eine nützliche Entwicklungsfläche in Ergänzung zum innerstädtischen Angebot für Touristen sich nicht mit aller Kraft entwickeln zu lassen.
B: Im strukturellen Rahmenplan von 2010 steht, dass mit maximal 100 Booten gerechnet werden sollte, die wirklich dauerhaft im Hafen liegen. Die Experten damals haben sich dabei ja etwas gedacht. Und wenn ich mir die Zahlen jetzt ansehe, gut 40 bei uns, 40 in der Blauen Lagune, dann kommt das schon hin. Es geht ja nicht um diejenigen, die mal für ein Wochenende mit ihrem Boot zu uns kommen, sondern die es dauerhaft auf dem Berzdorfer See liegen lassen. In Zukunft werden ältere Segler ihr Boot vielleicht noch abgeben müssen aus Altersgründen oder Ähnlichem, sodass es eher weniger als diese 100 werden. Das haben die Experten 2010 also schon sehr realistisch eingeschätzt.
Wurde schon Werbung in Polen und Tschechien gemacht?
B: Da kann man sicher noch mehr tun, aber die 100 Boote sind die Zielgröße, und die wird sich einpegeln. Und wenn wir die jetzt aufteilen, dann ist es das. Die Größen werden sich nicht mehr ändern.
M: Wobei auch eine Frage ist, ob Werbung etwas ausrichtet, wenn der Markt nicht da ist. Die Frage der Werbung wurde immer wieder aufgeworfen, schon bei ersten Diskussionen ist damals gesagt worden, da müsse KommWohnen eben mehr Werbung machen zu einem Zeitpunkt, zu dem wir dort in keiner Funktion waren außer Eigentümer zu sein. Als andere den Hafen betrieben haben. Nun ist Werbung Kernaufgabe der EGZ. Das ist die Gesellschaft, die den Standort Görlitz vermarktet. Es geht hier um übergeordnete Tourismusziele, die erreicht werden sollen, und das liegt sicherlich nicht in der Hand von KommWohnen. Aber die Sichtbarkeit des Angebots hat sich seit dem vergangenen Jahr, in dem wir den Hafenbetrieb übernommen haben, gesteigert. Wir sind als KommWohnen mit der Villa Ephraim mit Rufweiterleitung an sieben Tagen die Woche erreichbar und haben in der Saison an fünf Tagen vor Ort geöffnet, wie es das vorher noch nie gegeben hat. Seit Mitte des vorigen Jahres haben wir einen Liegeplatz für Jollen mit Übersteigschutz ordentlich eingehaust, nicht provisorisch mit einem Bauzaun wie früher.
Und wir haben trotzdem genau ein Boot hinzubekommen, das dort als Jolle liegt. Ich denke, wenn es tatsächlich nur an den Rahmenbedingungen des Betriebs gelegen hätte, während alle schon begeistert darauf gewartet hätten, endlich auf den See zu dürfen, wäre dieser Knoten in der vergangenen Saison geplatzt. Dass wir das nicht erlebt haben und es zwar zu einer Belebung mit Menschen, aber nicht mit Booten gekommen ist, liegt sicher auch daran, dass die Grundgesamtheit der Menschen, die diesen See nutzen, auch endlich ist in unserer Region. Warum sollte bis Görlitz fahren, wer aus Dresden kommt, wenn er vorher andere Gewässer erreichen kann. Warum jedes Wochenende so weit fahren, wenn er mit dem Boot etwas unternehmen möchte. Das heißt, da ist unsere Lage am Rande von Sachsen nicht so zentral wie der Cospudener See. Deswegen wundern mich Vergleiche, wenn gesagt wird, ihr könnt das genauso entwickeln. Irgendwoher müssen die Menschen ja kommen. Wir haben polnische Mitarbeiter bei uns im Haus, bringen immer wieder Angebote auch auf Polnisch in die Öffentlichkeit. Für Wassersport scheinen für die Polen dennoch andere Gewässer stärker im Fokus zu liegen. Inwieweit wir Tschechen zu uns locken können, wird sich zeigen. Denn auch da sind wir natürlich im Wettbewerb mit den anderen Seen in der Lausitz. Wenn ich von Prag über die Autobahn nach Dresden komme, bin ich schneller, als wenn ich zu uns fahre über Liberec und schlechte Bundesstraßen. Auch an der Stelle ist der Zeitvorteil natürlich ein entscheidendes Kriterium. Wenn dann noch die starken Einschränkungen durch den Naturschutz hinzukommen, was die Befahrbarkeit des Sees angeht, sind wir noch weniger attraktiv im Wettbewerb zu anderen Seen. Für die Vorstellung, dass sich der See jetzt von allein füllt und wir ganz ganz viele Boote haben, die sich überall verteilen, gibt es im Moment keinen Anhaltspunkt außer vielleicht dem Wunsch, dass das so ist. Aber ich mag mich lieber mit Fakten beschäftigen als mit reinen Wunschvorstellungen.
Würden Sie denn Hafen und Halbinsel am liebsten abgeben?
Ich habe mir nicht gewünscht, dass wir’s übernehmen, aber ich habe dem damaligen Oberbürgermeister Joachim Paulick, der mich gebeten hat, das Hafengebäude zu errichten, damals gesagt, wenn wir so etwas machen, das sich niemals selbst tragen kann, dann kann das nur in der Gesamtschau funktionieren, wenn wir auch daneben die anderen Flächen bewirtschaften und entwickeln dürfen. Er hat das Angebot damals dankend angenommen, und es gab einen einstimmigen Stadtratsbeschluss, dass KommWohnen die Halbinsel entwickeln soll. Und jetzt haben wir die erste Aufgabe ganz erfolgreich erledigt. Das Hafengebäude ist schmuck geworden und wird mittlerweile auch durch unsere Tochtergesellschaft Villa Ephraim betrieben und wird gut angenommen, wie wir feststellen dürfen. Jetzt geht es aber auch um eine wirtschaftliche Entwicklung und dazu gehört, dass wir die weiteren Flächen auf der Halbinsel jetzt so entwickeln, dass wir damit auch Überschüsse erwirtschaften, um die Kosten für das Hafengebäude wieder einzuspielen.
Also wird die Halbinsel ein Gesamtkonstrukt sein und ob der Hafen voll ist oder nicht, wird immer eine Rolle spielen, auch in zehn oder 20 Jahren?
Anders als oft in der Öffentlichkeit gesagt wurde, stellen die Boote im Hafen keinen Wirtschaftsfaktor dar. Mit den Jollenliegeplätzen verdient man kein Geld. Wenn wir die beantragten Paragraph-4-Mittel für unseren Jollenstützpunkt bekommen, dann dürfen wir damit keine Gewinne erwirtschaften. Also wären die Beiträge für die Nutzer sicherlich nicht höher als aktuell, vielleicht sogar ein bisschen niedriger. Es geht nicht darum, dass wir das Geld mit den Plätzen für die Boote verdienen. Sondern wenn wir den Hafen erfolgreich entwickeln wollen, brauchen wir die Boote, um den Hafen auch als Hafen sichtbar zu machen. Das hat mit Kulissenwirkung zu tun. So wie es viele Menschen in die Berge treibt, weil sie das Alpenpanorama genießen mit schneebedeckten Bergen oder wie andere an die Küste fahren, weil sie die Brandung an der Nordsee oder die weite Wasserfläche an der Ostsee genießen, so werden Menschen ganz gezielt an unseren See kommen, wenn sie das Gefühl haben, das maritime Flair dort zu erleben. Dazu braucht es Bootsbewegung im Hafen, dazu braucht es Segel, wenn wir Ferienappartements dort anbieten wollen. Noch sind wir nicht soweit, aber der Aufstellungsbeschluss ist mittlerweile gefasst. Dann wird es wesentlich für den Erfolg sein, ob die Gäste erkennbar maritimes Flair erleben, Boote sehen, vielleicht auch mit eigenen Booten dazukommen und das Umfeld genießen – oder ob wir einfach nur eine Wasserfläche haben, die mit wenigen Booten versehen ist.
Herr Berndt, Sie beschäftigen sich als Projektentwickler ja mit vielen Seen der Region. Wodurch zeichnet sich denn der Berzdorfer See aus?
Sicherlich durch die Lage mit dem schönen Blick auf die Neuberzdorfer Höhe. Auch durch seine gute Wasserqualität, die andere Seen wahrscheinlich nicht bieten können. Deswegen gab’s ja auch mal die Idee, ihn zu einem Tauchparadies zu machen. Das Naturgegebene macht den See anziehend. Das andere ist die Lage zur Stadt Görlitz. Man ist schnell am See oder andersherum schnell in der Stadt. Das ist für Touristen sicherlich sehr anziehend.
Wenn alles so schick ist, wird es doch in Zukunft kein Problem sein, See und Hafen zu beleben.
M: Der Berzdorfer ist einer der letzten Seen, die fertiggestellt und geflutet wurden. Wir haben im Umfeld also Beispiele, mit denen wir uns auseinandersetzen können. Wir haben den Cospudener See, der natürlich durch die Decke geht. Doch auch wenn er uns 20 Jahre voraus hat, gibt es dort noch ganz viele Entwicklungsflächen. Der Senftenberger See hat uns über 40 Jahre Flutung voraus. Wenn man schaut, wie Wassersport dort ja eher ein Schattendasein fristet und sich eben nicht entwickeln konnte, ist es eben nicht so, dass gute Erreichbarkeit und Nähe zur Autobahn ausreichen, dass sofort alle ihr Boot zum Wasser bringen. Wir haben einige Seen in der Lausitz, wir haben in Sachsen insgesamt sehr viele Gewässer, und es gibt einen Wettbewerb. Dann müssen wir ganz nüchtern gucken, wie lange brauche ich, um zum See zu kommen? Und da sind wir einfach der von den Ballungsräumen am weitesten entfernte See. Weiter östlich geht nicht. Also ist die Frage, wer sein Boot zu uns bringt, es hier lässt, um dann jedes Mal anderthalb, zwei Stunden zu uns zu fahren, wenn er’s auch in einer halben Stunde Entfernung haben kann. Wir sind eine Region mit schrumpfender Einwohnerzahl, relativ stark schrumpfend. Görlitz hält den Stand, aber die Kommunen um Görlitz herum weisen einen deutlichen Einwohnerrückgang auf. Wir haben einen überdurchschnittlich hohen Altersdurchschnitt. Wen drängt es denn da alles noch aufs Wasser? Und ins Boot aufs Wasser? Wenn doch die Studien alle sagen, dass es sich gerade bei den Wassersportfreunden eher um die älteren Jahrgänge handelt und hier verstärkt zu spüren ist, dass die Segler immer lieber mit einem Motor unterwegs sind und es geruhsamer angehen lassen. Dann ist die Frage, welche Entwicklungsperspektiven hat ein See, der nur für Segelboote genehmigt ist? Und wenn wir den Hafen als Hafen spürbar haben wollen, dürfen wir auf keinen Fall das Risiko in Kauf nehmen, dass der Hafen ohne Boote eher wie eine Investitionsruine wirkt. Das ist meine ganz große Sorge. Ein Hafen mit dieser Anmutung führt nämlich zum Gegenteil. Anstatt dass er Touristen anlockt, was er könnte und für was es ganz tolle Beispiele an der Nordseeküste gibt, könnte er, wenn er verwaist ist, so wirken, als wäre hier was falsch gemacht worden und dann meiden die Leute dieses Areal. Unsere Investitionen wären nicht nur nicht auskömmlich, sondern auch die positive Wirkung, mit den vielen Appartements und Einrichtungen an dieser Strecke einige hundert Arbeitsplätze entstehen zu lassen, wäre dadurch verloren, dass wir eine Entscheidung nicht zugunsten von Görlitz getroffen haben.
Einige hundert Arbeitsplätze? Wie das?
So waren die Schätzungen von Herrn Engel, der damals vom OB als Tourismusexperte angesprochen worden ist, den See zu begutachten. Ich halte das auch nicht für abwegig. Wir wissen auch jetzt schon, für unseren Beitrag mussten wir zwei Runden drehen, um Personal einzustellen, weil wir es mit unserem Team nicht geschafft haben nur für den Betrieb Hafen, Café und Kiosk. Wenn bei uns noch die Bewirtschaftung der Appartements hinzukommt, werden wir weitere Einstellungen vornehmen. Je mehr Kapazitäten wir für Übernachtungen von Touristen aufbauen, desto mehr Menschen werden wir anstellen. Das Gut am See baut gerade Hotelzimmer, die Insel der Sinne hat im vergangenen Jahr geöffnet. Wir schaffen es also, dass Kapazitäten steigen und dass damit auch das touristische Ziel stärker wahrnehmbar ist. Und mit jedem weiteren Angebot wächst auch das Potential für Dienstleistungen wie Segelschule und Verleihangebote von vielleicht Elektrobooten, vielleicht Segway, für was auch immer. Dinge, die Touristen üblicherweise vor Ort buchen, können dann angeboten werden, wenn es genügend Nachfrage gibt. Je mehr Touristen wir anlocken, desto mehr ergeben sich daraus Folgeangebote. Damit können wir eine Aufwärtsspirale entwickeln, und das schafft genau in dieser Größenordnung Arbeitsplätze.
Ist diese große Naturschutzsperrfläche noch nachvollziehbar? Am Senftenberger See gibt es auch ein Naturschutzgebiet, und trotzdem dürfen dort Motorboote fahren. Warum geht das bei uns nicht?
Die Frage scheint wohl zu sein, wann die Naturschutzfragen geklärt waren. Wir haben relativ lange gebraucht und uns bei der Beauftragung der Umweltverträglichkeitsgutachten dann auch vielleicht eher mit besonders naturschutzaffinen Personen verstärkt. Dadurch wurde das Thema bei uns stärker akzentuiert als an anderen Seen. Das Ergebnis ist, dass diskutiert wird, ob der See möglicherweise als Wasserreservoir, also als Speicher bei Trockenheit, dienen kann. Damit wäre definitiv jede Form von Verbrennungsmotor auf dem See tabu. Man muss sich nur vorstellen, das Wasser wird mit Benzin oder Öl kontaminiert. Das schränkt natürlich mögliche Nutzungen noch weiter ein. Und die Seen, die eher fertig waren, haben auch die aktuell sich verschärfenden Rahmenbedingungen nicht mehr zu spüren bekommen. Der Vogelschutz ist durch EU-Richtlinien immer weiter verstärkt worden, das erleben wir jetzt einfach als einen Rahmen, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Das macht ja auch eine der Sorgen aus, dass eine immer kleiner werdende für den Wassersport nutzbare Wasserfläche einfach auch immer weniger attraktiv in die Ferne ausstrahlt.