
Solche Mieter haben wir selten. Die Wohnung in unserem Haus Jakobstraße 5 ist im Stil der 1920er Jahre perfekt durchgestylt, wie man heutzutage sagen würde. Dunkle Farben an den Wänden, schwere Vorhänge am Fenster, Möbel aus dunklem Holz. Auf dem Schreibtisch mit Schreibmaschine liegen handgeschriebene Notizen in altdeutscher Schrift. An der Wand steht ein Waschtisch mit Emailleschüssel und Wasserkrug.
Hier wohnt Dr. phil. Jakob Fabian. Er ist der Protagonist von Erich Kästners Roman “Fabian. Die Geschichte eines Moralisten”. Das Buch ist Vorlage für den Film, den Felix von Boehm mit seiner Produktionsfirma Lupa Film derzeit in Görlitz entstehen lässt. Er hat dazu ein Team mit lauter bekannten Namen zusammengetrommelt. Regie führt Dominik Graf, der schon viele Film- und Fernsehpreise erhalten hat. Die Hauptrolle übernimmt Tom Schilling (“Crazy”, “Oh Boy”). Außerdem stehen Saskia Rosendahl (“Lore”) und Albrecht Schuch (“Die Vermessung der Welt”, “Bad Banks”) vor der Kamera, die schon früher in Görlitz gedreht haben.
Görlitz spielt Berlin
Im Film spielt Görlitz das Berlin von 1930. Und die Görlitzer können sich wirklich auf den im Herbst 2020 erscheinenden Film freuen. Drehorte sind in etlichen Straßen der Stadt verteilt. Ein Höhepunkt für Stadtkenner dürfte Fabians nächtlicher Spaziergang durch Berlin-Görlitz sein. Bergstraße, Emmerichstraße, Hilgerstraße, Leipziger Platz – sie alle tauchen dabei nach und nach auf. Fabians Ziel ist die Louis-Braille-Straße 4, wo sich seine Wohnung befindet, die ja eigentlich in der Jakobstraße 5 ist. “Wir puzzeln uns unsere Drehorte sozusagen zusammen”, sagt Produzent Felix von Boehm. Wie die Zigarrenfabrik im Film, die außen die Landskron-Braumanufaktur und innen das frühere Werk I von Bombardier sein wird. Ein übliches Vorgehen bei Filmdreharbeiten. Görlitzer kennen das vom “Grand Budapest Hotel”, das außen Stadthalle und innen Kaufhaus war.
Hauptdarsteller im Hafenbecken
Sogar der Hafen spielt im Film mit. Er ist dann die Elbe, in die Fabian springt. Am Donnerstagnachmittag war das Filmteam mit einem Großaufgebot am Hafen Görlitz, um diese Szenen entstehen zu lassen. “Das Hafenbecken hat sich dafür wunderbar geeignet”, so von Boehm.
Überhaupt, Görlitz. Die Filmleute, die zum großen Teil aus Berlin kommen, sind begeistert. Zum einen wegen der Gebäudesubstanz, zum anderen wegen der Menschen. Verwaltung und Vermieter helfen zuverlässig, die Bürger auf der Straße schauen entspannt zu, ohne die Abläufe zu stören. “Die Logistik geht in Görlitz aufgrund des hohen Leerstands deutlich einfacher von der Hand als beispielsweise in Berlin, wo immer erst etwas leer geräumt werden muss, bevor man etwas einrichten kann”, sagt Produzent von Boehm. Er ist wie all seine Kollegen dankbar für die Möglichkeiten, die sie in Görlitz bekommen.
Verliebt in den Leipziger Platz
Dabei ist das manchmal wirklich nicht einfach. Beispiel Leipziger Platz. KommWohnen saniert dort gerade drei benachbarte Häuser. Vor allen stehen natürlich Bauzäune, Baucontainer, Dixie-Toiletten. Nun hat sich aber Regisseur Dominik Graf sofort verliebt in diese Gebäudesituation auf dem dreieckigen Platz. “Solch eine Konstellation gibt es kaum noch zu finden, egal wo man sucht”, sagt Felix von Boehm, der den Regisseur dabei gut verstehen kann. Und der mithin alle Hebel in Gang gesetzt hat, um den Platz doch noch als Drehort zu bekommen – natürlich ohne sichtbare Baustelle.
Angesichts dieser Begeisterung haben wir von KommWohnen uns zum Helfen bereit erklärt. Die Bauschuttcontainer werden entfernt, genauso wie der Bauzaun und die Gerüsttürme. In die Innenräume bringen die Filmleute Licht und Gardinen, damit im Film alles bewohnt aussieht. Drei Tage sollen die Vorbereitungen dauern, dann läuft einen Tag die Filmkamera, dann wird alles wieder zurückgedreht. “Das ist schon viel Aufwand”, sagt KommWohnen-Bauleiter Joachim Wätzig. “Aber für die Görliwood-Marke machen wir das gern.” KommWohnen-Objekte sind regelmäßig Schauplatz für Filmdreharbeiten.
Party zur Kinopremiere
Der Produzent weiß schon jetzt, dass “Fabian” in Görlitz eine besondere Premiere erleben soll. Er möchte nicht nur einen Teil der Schauspieler zu Kinopremiere nächstes Jahr organisieren, sondern auch mit allen Helfern eine Party feiern. Vorfreude, auch wenn jetzt erstmal viel Arbeit ansteht. Bis zum 23. August sind Dreharbeiten in Görlitz geplant, dann folgen zwei Tage in Kleinwelka, bevor es weiter nach Berlin geht. Mitte September soll schon alles im Kasten sein.
Foto ganz oben: Tom Schilling, Saskia Rosendahl, Dominik Graf, Meret Becker, Eva Medusa Gühne und Albrecht Schuch (v.l.) vorm Goldenen Tor. Foto: Lupa Film