Manche kommen wieder. Wie Arno und Hannelore Faselt. Nach mehr als 40 Jahren sind sie aus einer KommWohnen-Wohnung ausgezogen. Zu einem anderen Vermieter. Doch fünf Jahre später kamen sie zurück. Nun, auf der Rothenburger Straße, sind es schon wieder 13 Jahre bei KommWohnen. Und diesmal ist ein Ende nicht in Sicht. So oder so passen die beiden in unsere kleine Serie zu Mietern, die seit mehr als 50 Jahren bei uns wohnen.
Es war 1965, als das frisch verheiratete Paar Faselt im Hirschwinkel 8 einzog. Viele Jahre, Jahrzehnte fühlten sie sich dort wohl. “Die Gemeinschaft war toll”, sagt Hannelore Faselt. Doch irgendwann zogen alle nach und nach aus dem Haus aus. Einige in andere Stadtteile, andere in modernisierte Wohnungen. Faselts blieben, bis sie die letzte von ehemals neun Mietparteien waren. “Das war seltsam”, erinnert sich Arno Faselt. “So ganz allein im Haus.” Weil die Sanierung anstand und sie dem Ganzen nicht im Weg stehen wollten, zogen sie 2006 in die Lunitz.
Unterwegs als Westtaxi
Arno Faselt war Taxiunternehmer zu der Zeit. Es war sein Weg nach der Wende, weiterhin Geld zu verdienen. Fast 40 Jahre hatte er beim Reichsbahnausbesserungswerk RAW gearbeitet, war Lokschlosser, hat Werkzeuge hergestellt, Drehbänke repariert. Doch nach der Wende wurde das Werk geschlossen. Freunde brachten ihn dann auf die Idee, Taxifahrer zu werden. “Ich habe mit einem Opel angefangen, ein Westauto”, erzählt er fröhlich. “Die Kunden waren begeistert.” 60, 70 Stunden hat er pro Woche gearbeitet, war oft nachts unterwegs. Und blieb bis zur Rente dabei. Zum Glück, könnte man heute sagen. Denn auf einer seiner Touren ist er über die Rothenburger Straße gekommen und hat gesehen, dass KommWohnen dort saniert. Kurzentschlossen hielt er an, ging auf die Baustelle und erkundigte sich nach den Plänen. “Das hat gepasst. Wir sind sehr froh, hier eine Wohnung bekommen zu haben.”
Es war zur Jahreswende 1962/63, als sich die beiden in der Tanzstunde der Tanzschule Ullrich kennenlernten. Sie stammt aus Herrnhut, hat im Krieg Mutter und Geschwister verloren und kam als Kleinkind gemeinsam mit ihrem Bruder bei einer Pflegefamilie in Tschechien unter. Erst 1948 kehrte sie nach Deutschland zurück, weil ihr Vater seine Kinder suchte. “Wir waren eine gute Familie”, sagt sie leise. “Ich wäre lieber in Tschechien geblieben.” Der ihr fremde Vater, seine neue Partnerin, selbst die Sprache war schwierig, zurück in Deutschland. Es war ein bunter Mix aus Deutsch und Tschechisch, so beschreibt es ihr Mann heute.
Umzug mit Hochzeitsbitter
Damals ging es für sie nach Bernstadt. Mit Tanzstunden in Görlitz, die ihr Leben verändern sollten. Die Hochzeit mit Arno Faselt fand in Bernstadt statt. Ein Ereignis für den Ort, wie Hannelore Faselt heute sagt. Ein großer Zug mit Hochzeitsbitter, 30 bis 40 Gäste, Trauung in der Kirche. 1964 war das. Das heißt, in diesem Frühjahr feiern die beiden ihre diamantene Hochzeit.
Nach der Heirat zog sie nach Görlitz. Die beiden wohnten kurz am Hainwald, bevor es dann in den Hirschwinkel ging. In der langen Zeit dort war Hannelore Faselt bei der HO Industriewaren angestellt, hat Floristin in Forst und Cottbus gelernt und in Görlitz in unterschiedlichen Läden gearbeitet. In den 1970er Jahren sind ihre Eltern aus Bernstadt ins Nachbarhaus im Hirschwinkel gezogen, und sie hat sich im Alter um sie gekümmert.
An diese Zeit haben beide viele Erinnerungen. Wie sie einmal auf einem Pulverfass saßen, weil eine Gasleitung defekt war. Zum Glück hat es ein Nachbar, der das Haus morgens sehr zeitig verließ, gerochen und alle informiert. Wie sie sich mit vielen anderen Nachbarn immer in die Liste für die Wäscherolle im Hirschwinkel 10 eintragen haben, eine laaaange Liste. Oder wie sie sich ihr Badezimmer selbst eingebaut haben. Gemeinsam mit dem Nachbarn auf derselben Etage kamen sie überein, die Mittelwohnung aufzuteilen und zwei Bäder einzubauen. Damals gab es für das ganze Haus nur ein Bad im Keller. “Badewannen waren ja damals schwer zu bekommen”, sagt Arno Faselt. “Und ich brauchte gleich zwei.” Wie hat er das geschafft? Er grinst. “Ich bin denen auf den Geist gegangen.”
Tochter und Enkelin sind ganz in der Nähe
Und ihre Tochter wurde in dieser Zeit geboren. Passenderweise wohnt sie heute ebenfalls an der Rothenburger Straße. Die Enkelin studiert in Dresden und arbeitet in Görlitz, immer im Dreimonatswechsel. Die Familie ist oft beisammen. “Wir sind sehr zufrieden mit allem hier”, meinen beide. “Es ist ruhig, das ist toll.” Klar, manchmal vermissen sie die vielen Läden, die es früher in unmittelbarer Umgebung gab. Gemüse, Obst, Kolonialwaren, Konsum, gleich zwei Bäcker, einer in dem Haus, der heute das Spielzeugmuseum beherbergt. Auch viel Industrie gab es damals dort, eine Motorradwerkstatt, eine Kachelproduktion, deren Gebäude Faselts heute von ihrem Balkon aus sehen.
Die beiden genießen ihren Ruhestand, sie 82 Jahre alt, er 81. Nur ihren Urlaub in Thüringen haben sie aufgegeben. Über 30 Jahre sind sie immer an denselben Ort gefahren, in dieselbe Ferienwohnung, jedes Jahr. Man kannte sie dort schon, es bildeten sich Freundschaften. “Wenn wir durch den Ort gingen, riefen uns manche zu, was, ist das Jahr schon wieder um?”, erzählt Arno Faselt und lacht. Ein Ort in der Nähe von Schmalkalden, direkt am Rennsteig. “Wir sind immer viel gewandert. Die vielen Orchideen dort!” Mittlerweile ist Arno Faselt die Autofahrt dorthin zu stressig. Das Gerase auf der Autobahn. Und mit dem Zug, nein, das ist zu umständlich mit dem vielen Umsteigen. Und die geliebte Ferienwohnung existiert auch nicht mehr. Aber wer weiß, vielleicht begeben sie sich anlässlich der diamantenen Hochzeit noch einmal auf die früheren Pfade…