In Deutschland hat alles seine Norm. So werden Bäume nicht etwa gepflanzt und dann eben gepflegt. Nein, sie bekommen über zweieinhalb Jahre eine intensive Anwuchspflege vom Gärtnereibetrieb und danach eine abgespeckte Bestandspflege. Klar, dass dazu auch eine förmliche bürokratische Abnahme gehört. Und eine solche macht unsere KommWohnen-Garten- und Landschaftsexpertin Susanne Krause heute mit der Görlitzer Firma Baumschule Rißmann.
Trocken sind dabei aber nur die Böden. Susanne Krause und Rißmann-Mitarbeiterin Bernadett Kretschmer plaudern bei der Tour durch die Wohngebiete vergnügt über Natur und Pflanzen – mit einem Fachwissen, bei dem Laien die Ohren klingeln. So gibt es zum Beispiel männliche und weibliche Gingkobäume. Sehen kann man das nicht so leicht. Anders als bei Sanddorn. Da schon. Oder bei Kiwi. Nackt- und Bedecktsamer sind ein weiteres Thema. Der Umfang der Baumstämme. Ja, alles mal in der Schule gehört. Puh, ist das lange her. Und Gingko-Bäume gehören übrigens zu den Nadelbäumen. Man lernt nie aus.
Grazil und bizarr
Überhaupt, der Gingko. Diese Art ist bei den 23 Bäumen, die als Ersatzpflanzungen vom Frühjahr 2018 heute abgenommen werden, am häufigsten vertreten. An der Erich-Weinert-Straße stehen zum Beispiel welche. Die beiden Frauen drehen jedes Mal mit prüfendem Blick eine Runde um die Gewächse, die auch im Alter von circa zehn Jahren noch getrost als Bäumchen bezeichnet werden können. Susanne Krause, nie um treffende Beschreibungen und klare Worte verlegen, meint: “Grazil und bizarr. Typisch für Gingko.” Aber der hier an der Etkar-André-Straße, der ist was Besonderes. Gleichmäßig gewachsen. Ordentlich. Symmetrisch. “Der ist doch wie gemalt! Guckt euch das an!” Entzückung pur.
Freuen kann sich Susanne Krause auch an der Leschwitzer Straße. Dort sprengt ein Stamm schon die Schutzmatte, die bei jungen Bäumen angelegt wird. Ein kräftiger Ahorn. Guter Boden. Das ist selten im Stadtgebiet. “Haben wir hier den Boden ausgetauscht?” Ein fragender Blick zu Bernadett Kretschmer. Die schüttelt mit dem Kopf. Susanne Krause winkt ab. “Egal. Das ist halt wie bei Menschen. Da gibt’s auch größere und kleinere, kräftigere und schwächere.” Ganz davon abgesehen, dass Baumart und Standort ja auch zusammenpassen müssen. Susanne Krause hat da offenbar ein gutes Händchen und die Baumschulen gute Zöglinge. Von 29 Bäumen insgesamt, die vor zweieinhalb Jahren an KommWohnen-Beständen gepflanzt wurden, muss nur einer ausgetauscht werden. Eine gute Quote, sagt die Expertin.
Reißerischer Stamm
An einer Pyramidenbuche kommt das Gespräch auf die Hohlschnur. Das ist das Band, das die Schutzmatte am Stamm zusammenhält. Früher wurde dafür oft Draht verwendet, bis man sich die Produkte aus der Elektrobranche näher ansah. Ein festes Band und dennoch nicht reißfest. Ein wachsender Baum ist stark genug, es zu sprengen. Scheint auf den ersten Blick ein unwichtiges Detail. Wenn aber jemand vergisst, den Draht rechtzeitig zu entfernen und dieser mithin in den Stamm schneidet, hat der Baum sozusagen eine Sollbruchstelle. Über Jahre und Jahrzehnte. Das kann dumm ausgehen bei einem Sturm.
Nach zwei Stunden ist alles erledigt. Susanne Krause ist zufrieden, und Bernadett Kretschmer freut sich über das Lob für die gute Arbeit. Jetzt müssen die Bäumchen allein klar kommen. Vielleicht gibt es in den Sommern hin und wieder einen netten Nachbarn, der einen Eimer Wasser an den Stamm schüttet. Und vielleicht sitzen irgendwann kommende Generationen dort im Schatten. “Was wir hier tun, machen wir sowieso nicht für uns”, sagt Susanne Krause. “Das machen wir alles für unsere Enkel.”