
Während andere Schüler morgens in ihre Klassenräume strömen, gehen Michelle, Sandy, Dennis und die anderen in ihre Wohnung. Dort lernen die Jugendlichen Kochen, Wäschewaschen, Bügeln, das richtige Putzen der verschiedenen Räume, den Umgang mit dem lieben Geld. Und vieles mehr, das man eben können muss, wenn man allein in einer Wohnung lebt. Der Auszug aus dem Elternhaus stellt für alle Jugendlichen einen großen Schritt in die Selbstständigkeit dar. Doch für die Schüler der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule, die sich als Förderschule auf Kinder mit geistigen Entwicklungsstörungen spezialisiert hat, ist eine besonders anspruchsvolle Veränderung.
Kochen macht viel Spaß
In ihrer dreijährigen Berufsschulstufe haben sie Zeit, alles in Ruhe zu erlernen. „Das Kochen macht am meisten Spaß!“, sagt Sandy. Sie zählt gemeinsam mit ihren Mitschülern auf, was es in den vergangenen Tagen gab: Nudeln, Kartoffeln mit Quark, Chili con carne, sogar Döner, alles selbstgemacht.

Michelle in der Küche, wo gemeinsam gekocht wird

Waschmaschine und Staubsauger gibt es in der Trainingswohnung wie in einer privaten auch – perfekt zum Üben.
Die zehn Schüler sind zwischen 14 und 17 Jahren alt. Für einige hat gerade das erste Jahr der Berufsschulstufe begonnen, für andere das letzte. Neun Jahre Schulzeit liegen hinter ihnen, wenn sie in diese Stufe wechseln. Um alle Schüler aufs Wohnen ohne Eltern vorzubereiten, hat die Stadtverwaltung Görlitz für die Schule eine weitere Wohnung im selben Haus angemietet. Nur für Fachunterricht (Sport, Werken, Textil, Computer) und für die Hofpausen gehen die Schüler noch in die Jahnschule um die Ecke. Der Rest spielt sich in der Wohnung ab.
Nicht nur wohnen, auch arbeiten
Neben dem Wohnprojekt wird auch das Arbeiten immer wichtiger für die Schüler. Erst helfen sie an einem Tag pro Woche in Görlitzer Unternehmen wie Supermarkt, Gärtnerei, Großküche, Bettenhandel oder Freizeitanlage. Später werden es mehrere Tage wöchentlich. Schritt für Schritt ins selbständige Leben.
Da gibt’s natürlich auch Belohnungen. Gerade hat die Klasse die Zusage des Schulfördervereins für eine gesponserte Couch mit Tisch bekommen, Sandy liest sie vor. Die Freude ist groß: Dann wird das Spielezimmer noch gemütlicher.
Aber auch viel Drumherum vermitteln die Lehrer. Bewerbungen schreiben, Kassenbuch führen oder auch das richtige Beschriften eines Briefumschlags. All das üben die Schüler in den letzten drei Jahren ihrer Schulzeit, wenn sie eben diese Berufsschulstufe erreicht haben. Und das Projekt der Schule scheint anzukommen. Auf die Frage in die Runde, wer sich schon auf die eigene Wohnung freut, gehen alle Hände ohne zu zögern hoch.