
Na, ist der Schrank mal wieder zu voll? Wie wäre es mit einer Klamottentauschparty? Wlada Kolosowa kennt das Problem aus eigenem Erleben und möchte in Görlitz genau solch eine Aktion ausprobieren. Sie ist derzeit im Rahmen des Projekts „Stadt der Zukunft auf Probe“ in Görlitz. Von Berufs Wegen Journalistin und Autorin, hat sie den Gedanken mit nach Sachsen gebracht. Weil sie Nachhaltigkeit lebt und zu Hause in Berlin regelmäßig Klamottentauschpartys mit Freundinnen macht. „Es gibt in Berlin Tauschschränke, die ich gern nutze“, sagt die 35-Jährige. Gerade jetzt, mit ihrem wenige Monate alten Kind, sei diese Möglichkeit ideal, kurzzeitig nutzbare Kleidung zu bekommen und abzugeben.
Und eigentlich wollte sie solch einen Schrank auch in Görlitz aufstellen. Ähnlich wie bei der Bücherbox am Wilhelmsplatz, sollten Menschen dort Kleidung mitnehmen und spenden können. „Aber mir haben mehrere Leute abgeraten“, sagt Wlada Kolosowa. Initiativen, die eine solche Möglichkeit bereits in Räumen anbieten, kennen den hohen Betreuungsaufwand. „Das kann ich nicht leisten. Und ich möchte der Stadt ja keine Dreckecke schaffen.“
Außergewöhnliche Idee am außergewöhnlichen Ort
Also sind Tauschpartys die Alternative. Am 3. Juni findet die erste statt. Ort ist die „Flint*erie“ in der Leipziger Straße 23. Ein außergewöhnlicher Ort. Denn Flint ist ein Akronym und steht für Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans Menschen. Ein Begriff, der in Großstädten schon bekannt ist und es nun auch in Görlitz werden könnte. Das Besondere: Männer haben keinen Zutritt, die Aktion wendet sich gezielt an Frauen. „Ein geschützter Raum“, sagt Wlada Kolosowa. „Das erscheint mir als guter Ort für die erste Klamottentauschparty.“ Kommt die Idee an, soll es weitere Auflagen im offeneren Rahmen geben. Zum Beispiel im Kühlhaus, wo Wlada Kolosowa derzeit ihren Arbeitsplatz hat.
Es soll nicht nur ums Tauschen gehen. „Bringt Klamotten, die noch gut sind, aber die ihr nicht mehr tragen wollt“, ruft die Initiatorin auf. „Am besten habt ihr ein Stück dabei, mit dem ihr Erinnerungen verbindet. Oder kommt einfach so vorbei, es werden genug Sachen da sein. Wir tauschen Klamotten, quatschen, ein paar Getränke wird es auch geben.“ Im Idealfall kämen tolle Geschichten zutage, die die Trägerin mit diesem Kleidungsstück verbindet.
Und warum bei genügend guten Geschichten nicht sogar eine Sammlung dazu veröffentlichen, denkt die Autorin in Wlada Kolosowa laut. Vorbilder gibt es bereits. Und Nachhaltigkeit sei ein so schönes Thema. „Ich möchte im Juni auch gern einen Kurs organisieren zum Reparieren von Kleidung, Löcher stopfen etc.“ Am liebsten wäre ihr dabei die Unterstützung einer Hauswirtschafterin. „Oder vielleicht findet sich sogar eine frühere Mitarbeiterin des Steppke-Werkes hier in Görlitz. Das wäre ein so interessanter Austausch!“
New York, Sao Paulo, Cottbus
Neue Umgebungen sind nichts Seltenes für die gebürtige Russin. Als sie zwölf Jahre alt war, ist sie mit ihrer Mutter ins Land ihres Vaters gekommen, der Russlanddeutscher ist. Cottbus war die erste von mehreren Stationen in Deutschland. Auch jeweils zwei Jahre in New York und Sao Paulo stehen in Kolosowas Lebenslauf. Seit 2007 wohnt sie in Berlin.
Görlitz ist die kleinste Stadt, in der sie länger gelebt hat, wie sie sagt. Eine hübsche und faszinierende Stadt voller Gegensätze sei es, mit spannenden Initiativen. Das habe sie schon vor zwei Jahren gedacht, als sie für eine Reportage zum ersten Mal nach Görlitz gekommen ist. Um die Entwicklung der Stadt nach der Wende ging es der Journalistin damals. Auch um Initiativen wie Rabryka und Kühlhaus, das Engagement junger Leute. Ein faszinierender Kontakt, sagt sie, trotz der Ruhe im Corona-Lockdown. Im Zuge dieser Reportage hat sie auch vom Probewohnen-Projekt gehört – und sich erfolgreich beworben.
Und wie ist es so nach ein paar Wochen? Sie lächelt. „Bisher fehlen mir eher die Freunde als die U-Bahn.“ Langfristig habe sie jedoch Sorge, in der kleinen Stadt nicht genügend Kontakte für ihre Arbeit zu finden. Aber immerhin: Ein paar Monate länger als im Projektzeitraum vorgesehen würden sie und ihr Partner gern bleiben…
Foto: ©Mario Heller