Es ist nicht ganz klar, wer an diesem Tag neugieriger die früheren Bombardier-Büros am Werk I betritt, die derzeit von KommWohnen renoviert werden. Ist es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der einen Einblick in den Fortgang der Bauarbeiten möchte? Sind es die Wissenschaftler vom Forschungszentrum Casus, die ab dem Frühsommer hier arbeiten werden? Oder ist es Prof. Thomas D. Kühne, der das Institut künftig als Direktor leiten wird und seine ersten Tage in Görlitz verbringt?
Sie alle haben sich an der Conrad-Schiedt-Straße versammelt, um die Zukunft zu feiern. Endlich mehr Platz für die derzeit 75 Mitarbeiter vom Casus, deren Zahl künftig auf 120 bis 150 anwachsen soll. Endlich eine Etablierung der Wissenschaft und Forschung in Görlitz. “Für mich ist das noch immer wie ein kleines Wunder”, sagt Ministerpräsident Kretschmer. “Nach so vielen Jahren Wissenschaftspolitik hat es endlich geklappt, etwas in Görlitz aufzubauen. Das freut mich sehr.”
Wie zum Beweis hat Prof. Sebastian M. Schmidt, der wissenschaftliche Direktor des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf, zu dem das Casus gehört, eine Reihe junger Wissenschaftler mitgebracht. Sie sind zum Teil erst seit ein paar Wochen in Görlitz und kommen aus Barcelona, Breslau oder von der bekannten US-Privatuniversität Princeton. Und alle freuen sich riesig auf ihre Arbeit bei diesem modernen Forschungsinstitut, das sich mit Ökosystemen, dem Inneren des Jupiters, Wassersystemen, Strukturwandel, großen Simulationen und vielem mehr beschäftigt. Sie alle kommen kurz ins Gespräch mit dem Politiker und loben Görlitz in deutlichen Worten – was Oberbürgermeister Octavian Ursu sichtlich Freude macht.
Aus Paderborn an die Neiße
Und auch dem designierten Direktor Thomas D. Kühne fiel die Entscheidung für Görlitz nicht schwer, wie er sagt. “Denn das Casus bietet eine einmalige Chance. Weltweit gibt es kein vergleichbares Institut. Einrichtungen auf dem Gebiet konzentrieren sich entweder auf ein Thema, für das sie dann rechnergestützte Methoden spezialisiert nutzen, oder sie beschränken sich auf die reine Theorie. Beim Casus liegt der Fokus dagegen auf den rechnergestützten Wissenschaften, um die wir ein breites Spektrum an Themen und Anwendungen aufbauen.“ Er wechselt aus Paderborn an die Neiße, wo er an der Universität den Lehrstuhl für theoretische Chemie innehatte.
In ein paar Monaten beziehen die Wissenschaftler planmäßig ihre neuen Büros. Dann hat das Casus schon drei Standorte in Görlitz. Erweiterung nicht ausgeschlossen.