Der Saal ist voll. Aus allen Stadtteilen sind sie gekommen, von der Blumenaue, vom Eschengrund, von der Schäferei, der Morgenröte, vom Sonnenland, von der Renatenaue oder der Margaretenhöhe, rund 80 Leute. Görlitzer Kleingärtner, durch deren Reihen derzeit Gerüchte wabern, das Ende ihrer Parzellen sei gekommen. Und die jetzt bei einer Informationsveranstaltung für die Vorstände der Kleingärtnervereine Details wissen wollen. Stadtverwaltung und KommWohnen haben dazu eingeladen. Hintergrund ist der Verkauf aller städtischen Kleingartenanlagen an KommWohnen. Beschlossen ist das Ganze schon seit einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2020, umgesetzt wird es erst jetzt. Nach und nach werden die Anlagen per Ratsbeschluss übergeben. Und seither herrscht Unruhe zwischen den Beeten: Müssen jetzt alle ihre Gärten aufgeben?
Nein, sagt KommWohnen-Geschäftsführer Arne Myckert ganz deutlich. “Warum auch?” KommWohnen sei eine hundertprozentige Tochter der Stadt und in keinster Weise daran interessiert, Kleingartenanlagen platt zu machen, wie es von den Gerüchtetreibern oft formuliert werde. “Ganz im Gegenteil. Wir legen ja schon seit Jahren Mietergärten an unseren Häusern an, weil wir die Lust vieler Menschen am Gärtnern kennen”, so Arne Myckert. Und eine sogenannte Heuschrecke, die nur am schnellen Gewinn durch Landverkauf interessiert ist, sei KommWohnen schon gar nicht.
KommWohnen als starker Partner
Vielmehr wird alles bleiben wie bisher. Das betonen der KommWohnen-Geschäftsführer und Bürgermeister Benedikt Hummel an diesem Abend mehrfach sehr deutlich. Und sie zeigen die Vorteile des Wechsels zu KommWohnen auf. Sollte es einer Sparte nicht mehr gelingen, genügend Pächter für die Parzellen zu finden, kann KommWohnen ein starker Partner sein. Weil es als GmbH schneller handeln kann als eine Verwaltung. Weil leere Parzellen, statt unansehnliche Brachfläche zu werden, dann zum Beispiel baurechtlich umgewidmet und als Waldersatzflächen dienen könnten.
Verwunderung über Aufregung
“Wir sind damals beim Verkaufsentschluss vom Kleingärtnerverband als Partner sehr positiv aufgenommen worden”, erinnert sich Arne Myckert. “Dass es in Phasen, wenn Grundstücke in Gartenanlagen wiederhergestellt werden müssen, ein willkommener Gedanke ist, dass wir Partner sind. Ich verstehe die Aufregung jetzt daher gar nicht so richtig.” Ähnlich äußert sich Bürgermeister Hummel. “In Abstimmung mit dem Verband war es schon 2020 klar, dass sich für Sie als Kleingärtner nichts ändert.” Andererseits sei es nicht sinnvoll, wenn in Kleingartenanlagen kaum mehr jemand zu sehen sei und die Grundstücke verwildern, wie es an der Reichenbacher Straße der Fall sei. “So wollen wir’s ja genau nicht. Da haben Sie nichts davon und die Stadtgesellschaft auch nicht.”
Darin liegt einer von zwei Gründen, warum die Stadt die Kleingartenanlagen überhaupt verkauft. KommWohnen kann sich als GmbH schneller kümmern, ist agiler als eine aus rechtlichen Gründen sehr formal agierende Verwaltung. Und: Durch den Verkauf bekommt die Stadt frisches Geld für wichtige Vorhaben, ohne die verkauften Flächen zu verlieren. KommWohnen ist schließlich eine hundertprozentige Tochter der Stadt.
Vereine sind weiterhin für Parzellen verantwortlich
Was sich künftig auch nicht ändert, ist die Verantwortung der Vereine für ihre Anlagen. Jeder muss sich selbst um genügend Pächter und die Pflege leer stehender Parzellen kümmern. Es wird nicht so sein – wie an dem Abend angeregt wurde –, dass KommWohnen verlassene Parzellen wieder schick macht und der Verein sie teuer verpachten kann. “Ihr müsst euch um eure Gärten kümmern. Dafür seid nur ihr verantwortlich”, richtete Sven Umlauft, Vorsitzender des Niederschlesischen Kleingärtnerverbands, das Wort an alle Anwesenden. “Das ist nicht Sache von KommWohnen.”
Am Ende des Abends war Beruhigung in den Gesichtern vieler Anwesenden zu sehen. KommWohnen-Chef Myckert zeigte Verständnis für die Sorgen der Kleingärtner und bestätigte noch einmal, dass es keine Unterschiede zu den Verträgen mit der Stadt aus der Vergangenheit geben werde. Die Langfristigkeit der Nutzung der Anlagen wird auch mit KommWohnen als Eigentümer nicht in Frage gestellt. Für die Kleingärtner bestehe daher kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: “Solange es in Ihrer Sparte läuft, ändert sich nichts. Wenn es ein Verein nicht mehr schafft, sich aus eigener Kraft um alle Parzellen zu kümmern, werden Sie froh sein, wenn Sie uns als starken Partner haben.”
(Schlaubergerwissen: Der Niederschlesische Kleingärtnerverband ist die Dachorganisation aller Kleingärtnervereine des Landkreises Görlitz. Allein für die Stadt Görlitz listet der Verband 72 Mitgliedsvereine auf seiner Homepage auf. Die meisten Parzellen mit 232 Stück hat die Sparte “Pomologischer Garten” an der Paul-Keller-Straße, die kleinste befindet sich mit vier Stück am Tulpenweg. Nach Angaben des Verbandsvorsitzenden Umlauft verzeichnen die Vereine derzeit einen Parzellen-Leerstand von durchschnittlich acht Prozent. Sachsenweit gebe es Gegenden mit 30, 40 Prozent.)