Heute, am letzten Tag, gibt es nochmal einen Termin. Der Verein KoLABORacja lädt zu einem KoWorkingDay ein – mit den Probewohnern als Gästen. Der Verein ist seit Jahren ein Kooperationspartner des von KommWohnen initiierten Probewohnens. Beim heutigen Treffen sollen Görlitzer wie Gäste der Stadt noch einmal die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen.
Und dann ist es zu Ende. Wieder ist eine Staffel des Erfolgsprojekts Probewohnen vorbei. “Stadt der Zukunft auf Probe” lautete der genaue Titel diesmal. Drei Monate lang waren die Probewohner in Görlitz, nacheinander im Zeitraum seit Herbst 2021. Drei möblierte Wohnungen hatte KommWohnen dafür zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel an der Schwarzen Straße, wo Beate Bindemann und Aleksandra Ozimek (Foto) gewohnt haben. Die eine kommt aus der Oberpfalz, die andere aus Jelenia Góra. Beim Folklorum der Kulturinsel Einsiedel haben sie sich einst kennengelernt. Beide kannten Görlitz schon vorher ein bisschen und waren gleich begeistert, als sie vom Probewohnen-Projekt hörten.
Drei Monate haben sie jetzt gemeinsam daran gearbeitet, eine “Allee der Kunst” aufzubauen, eine “ars aleja”. Damit ist ein Netzwerk von deutschen und polnischen Kunst- und Kulturschaffenden gemeint, das an der Strecke zwischen Breslau über Görlitz nach Nürnberg entstehen soll. “Wir haben hier gut mit der Galerie am Fischmarkt zusammengearbeitet”, sagt Beate Bindemann. Mehrere Veranstaltungen fanden im “Neun Görlitz” statt. Aleksandra Ozimek hat in der Galerie ihre selbst kreierte Upcycling-Mode ausgestellt und Siebdruck-Workshops angeboten. “Wir haben viele Künstler getroffen, es war toll!”, schwärmen beide.
Frischekur für touristisches Leitsystem
Ähnlich begeistert äußerst sich Anne Rauchbach. Auch sie gehört zu den Probewohnern, die die Staffel beschließen. Sie hat sich mit der Überarbeitung des touristischen Leitsystems in Görlitz befasst. “Einige Ziele, die derzeit ausgewiesen werden, sind keine wirklichen touristischen Ziele (wie beispielsweise das Klinikum) oder erfahren eine andere Nutzung (wie die Synagoge). Manchen Wegweisern fehlen auch Schilder, so dass diese lediglich wieder angebracht werden müssen”, sagt sie. In Zusammenarbeit mit der Stadt habe sie gute Ziele erreichen können. “In einer Stadt der Zukunft können Touristen nicht zu kurz kommen. Wenn diese sinnvoll beispielsweise vom Bahnhof zur historischen Altstadt geleitet werden, ohne das Auto zu benutzen, dann ist das auch ein wichtiger Beitrag.”
Was die Görlitzer auf Zeit eint: Sie haben die Zeit hier genossen. Die Ur-Görlitzer werden als offen, hilfsbereit, freundlich beschrieben. “Und engagiert”, sagt Beate Bindemann. “Scheinbar jeder ist hier in einem Verein. Das habe ich noch nie erlebt.” Alle drei liebäugeln damit, auf Dauer eine Bleibe in Görlitz zu haben. Als Zweitwohnsitz oder als Domizil bei der Mitarbeit an Projekten. “Was ich wirklich zu schätzen gelernt habe, ist die Mischung aus dem Leben in Görlitz und Leipzig, wo ich herkomme”, sagt Anne Rauchbach.
Vermögen und Veganes
Und was war überraschend an Görlitz? Beate Bindemann und Aleksandra Ozimek lachen. “Wir haben hier über 300 Euro für Strafzettel bezahlt!” Ein Teil sei an Freunde und Familie gefallen, aber auch sie selbst hätten oft Knöllchen vorgefunden. Ein zum Teil bitteres Lachen natürlich.
Positiv hingegen ist Anne Rauchbach überrascht. In einer Stadt wie Görlitz hätte sie nicht den Umfang an veganen Lokalen erwartet. “Viele Cafe- und Restaurantbetreiber geben ein gutes und kreatives Angebot für eine vegane Ernährung. Auch in Supermärkten findet sich eine gute Auswahl wieder.” Gleiches gelte für die Vielfalt an kulturellen Angeboten. “Nicht viele Städte von solcher Größe können so einen Mix anbieten.”