Jahresende, Zeit für ein Fazit. KommWohnen-Geschäftsführer Arne Myckert über Mittelaltergefühle, Baustellen, unterschiedliche Ansichten zur Halbinsel und das Wohnen von Morgen.
Herr Myckert, hat Sie die Corona-Krise aus der Bahn geworfen?
Ich hätte nicht nur als Geschäftsführer, auch für mein Leben nicht gedacht, dass ich mal so etwas, was sich nach Mittelalter anfühlt, erleben würde.
Was war die größte Herausforderung?
Da wir bisher nicht erlebt haben, dass der gesamte Geschäftsbetrieb runtergefahren werden muss, weil wir von komplizierten Infektionsketten verschont geblieben sind, ist die Worst-Case-Sorge nicht eingetreten. Wir haben ganz früh bei einer Schneiderin Masken für die Mitarbeiter in Auftrag gegeben. Lange bevor erkennbar war, dass es dazu mal Pflichten geben könnte. Wir haben die Mitarbeiter mit Schreiben ausgestattet vor der Diskussion um mögliche Beschränkungen in der Bewegung, also eine Ausgangssperre light. Wir waren also immer ganz gut vorbereitet auf das, was hätte kommen können und zum Teil gekommen ist. Und weil wir bisher nicht überrascht wurden, hat es sich nicht so dramatisch angefühlt. Wir haben Erfahrungen gesammelt, auch intern Beratungen per Videokonferenz sicher durchzuführen, ohne dass zu viele Menschen aufeinander hocken. Das ist eine sehr wertvolle Erfahrung, wenn wir uns künftig mehr mit Homeoffice und der dafür nötigen Software beschäftigen. Das ist ja gerade sehr im Trend. Die durch Corona geänderten Rahmenbedingungen haben uns da also auch beschleunigt. Wir können ganz glücklich sein, dass es bisher so gut lief.
Corona hat mit sich gebracht, dass die Wohnung für die Menschen plötzlich viel mehr war: Restaurant, Büro, Schule, Kindergarten, Wellnessstudio, Kino etc. Verändert sich unser Wohnen?
Das kann man vermuten. Die Position der Menschen, die die Chance bekommen, von zu Hause zu arbeiten – laut Studien möchten das ja sehr viele –, findet nun auch in der Realität statt. Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter nach Hause. Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob es reicht, im Wohnzimmer oder auf dem Küchentisch mit dem Laptop zu arbeiten. Oder braucht‘s in den Haushalten ein Zimmer mehr, um ein gescheites Arbeitszimmer einrichten zu können. Wenn man auf der anderen Seite jeden Tag viel Zeit für den Weg zur Arbeit aufwenden muss, ist es für manche bestimmt eine Überlegung, in eine etwas größere Wohnung zu investieren, um diesen Komfort genießen zu können. Das ist zumindest eine Frage, mit der wir uns beschäftigen.
Gibt es auch schon Ideen, was Ausstattungsmerkmale angeht?
Natürlich konnte niemand so eine Krise vorhersehen. Ich bin total froh, dass wir mit der Telekom das Glück hatten, vor wenigen Jahren unseren gesamten Bestand bei der Internetanbindung auf eine erhöhte Übertragungskapazität umzustellen, in vielen Fällen auf Glasfaser. Manche Standorte haben wir nur durch diesen Rahmenvertrag an das schnelle Internet anschließen können. Die Telekom hat uns damals signalisiert, dass sie einen großen Partner braucht, um großflächig in Görlitz zu investieren. Jetzt in Corona-Zeiten erleben wir, dass schnelles Internet nicht nur für Homeoffice nötig ist, sondern auch für Homeschooling. Die Schulen haben sich weiterentwickelt und nutzen Videokonferenzsysteme. Und die brauchen natürlich ein entsprechend schnelles Internet. Dass sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren so dramatisch verbessert haben, halte ich für eine sehr glückliche Konstellation.
Mal was Fröhliches: Das Frauenburgkarree ist nach neun Jahren fertig. Wie betrachten Sie dieses Mammutprojekt?
Ziemlich stolz. Dass dazu natürlich Mut gehört, ein neues Konzept umzusetzen und in dieser Größenordnung betreutes Wohnen anzubieten, war bei uns im Haus eine länger und heiß diskutierte Überlegung. Auch dann, als wir Stück für Stück saniert und anfangs die Vermietung etwas zögerlich erlebt haben. Da war noch nicht klar, ob das wirklich ein Erfolg wird. Ich habe die Besichtigung durch die lange leerstehenden Häuser zum Teil miterlebt und das ist schon ein Eindruck, der nicht ermutigend ist. Wenn man sich jetzt in den Hof stellt und dreht und alles sieht,
finde ich das richtig erhebend.
30 Jahre WBG bzw. KommWohnen in diesem Jahr. Bedeutet Ihnen solch ein Jubiläum etwas?
Natürlich sind runde Geburtstage spannend, aber es bildet ja nicht die tatsächliche Geschichte des Unternehmens ab. Unsere Wohnungen und Häuser gibt es viel länger. Das 30-jährige Bestehen hat ja nur mit der politischen Wende zu tun. Es ist also eigentlich nur ein Ausschnitt der Vergangenheit des Unternehmens.
Stadtpolitisch war 2020 spannend. KommWohnen soll vielleicht das Helenenbad übernehmen und bekommt die Kleingartensparten. Entwickelt sich das Unternehmen zur Geheimwaffe der Stadt?
Wir haben auf Nachfrage der Stadt angeboten, das Helenenbad betreiben zu können, aber darüber ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Anders ist es bei den Gartensparten, die bei der Stadt beheimatet sind. Es gibt einen Stadtratsbeschluss, dass wir sie der Stadt abkaufen werden. So bekommt die Stadt Liquidität für ihre vielen Projekte. Das ist wichtig. Und wir sind in engem Kontakt mit dem Niederschlesischen Kleingartenverband. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit soll die Weiterentwicklung der Sparten erfolgen.
Welchen Stand gibt es bei der Halbinsel zu Bebauung und Tourismus-Entwicklung?
Wir sind alle optimistischer gewesen, was die Entwicklung allein der Südrandbebauung angeht. KommWohnen hat immer schon gewollt und gefordert, dass dort zu einem geringen Teil Dauerwohnen realisiert wird. Damit wir auch in der tourismusschwachen Nebensaison dort wache Augen haben. Gleichzeitig reden wir nur von zehn Prozent Dauerwohnen: 6 von 66 Appartements im aktuellen Bauvorhaben. Wir ziehen mit den sechs keinen Stadtteil leer. Und wenn sich die Ferienanlagen weiter entwickeln, haben wir vielleicht einige Wohneinheiten für Dauerwohner plus vielleicht ein paar Touristen, die auch gern im Winter Urlaub am See machen. Dann haben Anbieter von Leistungen wie Café, Bistro, Restaurant und Anderem zumindest eine geringe Auslastung. Diese ganzjährige Nachfrage ist sehr wünschenswert aus unserer Sicht.
Warum geht es dann nicht voran?
Hier wird auf dem Reißbrett geplant. Bei gewachsenen Tourismusstandorten gibt es immer ein Nebeneinander von Übernachtungsangeboten für Touristen und das Dauerwohnen der ortsfesten Bewohner, die schon immer dort waren. Ich halte es auch für richtig, dass es keine Retortenstädte gibt, die nur Angebote für Touristen haben. So wie Städte wachsen und in dieser Mischstruktur liebenswert sind, haben wir jetzt hier plötzlich eine Planungsvorstellung, dass alles nur einem Gedanken folgen darf. Das halte ich persönlich für abwegig. Es bildet die Realität nicht ab. Aber an der sehr technischen Vorstellung, es dürften nur Tourismusappartements dorthin, scheitern wir gerade. Die Verwaltung könnte hier einen Ermessensspielraum ausüben, aber die Bereitschaft ist bisher nicht zu erkennen.
Worin besteht die Kritik der Verwaltung?
Dass Dauerwohnen die touristische Entwicklung hemmen würde, weil Wohnen einen anderen Schallschutz genießt als ein touristisches Appartement. Wir haben seit Beginn unseres Engagements aber immer wieder betont, dass wir Zielgruppen vor Augen haben, die Erholungstourismus suchen. Also Wellnessangebote wie auch in der „Insel der Sinne“, naturnahe Möglichkeiten und Aktivurlaub. Niemand, der in einer Woche in einem Appartement Erholung sucht, will jede Nacht von lauter Diskomusik oder Rockkonzerten geweckt werden. Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keine unterschiedliche Perspektive vom Ruhebedürfnis der Dauerbewohner und dem der Touristen. Und wir sind die Investoren. Wenn unsere Vorstellungen so deckungsgleich sind, finde ich es schon seltsam, wenn Andere uns bevormunden wollen, indem sie sagen, wir könnten uns dann gar nicht mehr entwickeln. Doch! Wir können uns perfekt entwickeln mit dem Konzept, das wir haben. Wenn man uns gelassen hätte, hätten wir die Südrandbebauung längst fertig haben können. Wir könnten auf der Halbinsel weitermachen. Mit jeder Tourismuseinheit vergrößert sich die Auswahl für Urlaub. Das heißt, wir sprechen mehr potentielle Touristen an, den Weg nach Görlitz zu finden. Und dann wächst auch die Nachfrage für touristische Dienstleistungen. Je mehr Touristen, desto schneller. Das Angebot bedeutet gleichzeitig, dass wir Arbeitsplätze in Görlitz schaffen, die für die Zukunft sicher sind. Kein Konzernchef kann anderswo plötzlich eine neue Strategie verfolgen oder diese Häuser mit den Appartements umziehen lassen. Deswegen finde ich es umso unverständlicher, dass wir hier insbesondere von der Kreisverwaltung gebremst werden.
Das Jahr 2020 war geprägt von den drei großen Komplettsanierungen in Rauschwalde und der Innenstadt. Zwölf Millionen Euro schwer. Schafft man da überhaupt noch Anderes?
Den Leipziger Platz wollten wir eigentlich zu einem früheren Zeitpunkt umsetzen, was sich nicht realisieren ließ. Deswegen ist er jetzt etwas verspätet mit in die geplanten Vorhaben gerutscht. Dadurch merken wir Grenzen in der Kapazität. Man muss aber sagen, dass all diese Projekte eine Förderrichtlinie nutzen, die in diesem Jahr ausläuft. Ob wir in Zukunft so aufwendige komplexe Maßnahmen durchführen können, hängt maßgeblich davon ab, ob es dafür maßgeschneiderte Förderprogramme gibt. Im Gegensatz zu der konstant niedrigen Miete in Görlitz – die die niedrigste von allen Städten über 25.000 Einwohner in Deutschland ist – sind die Baukosten genauso dramatisch gestiegen wie in Berlin und München. Und dieser Spalt, um das Ganze zu refinanzieren, ist mittlerweile so groß, dass wir uns so aufwendige Maßnahmen ohne ein vernünftiges Förderprogramm nicht mehr leisten können.
Was oft gelingt, ist die Zusammenlegung von Wohneinheiten zu großen Familienwohnungen. Sind sie schnell vermietet?
Ja. Ich glaube auch, dass weniger wahrgenommen wird, wie sehr sich KommWohnen für Familien als Zielgruppe engagiert. Weil es nicht so spektakulär ausschaut wie zum Beispiel drei Gründerzeitgebäude zu einem Komplex zusammenzufassen, um dort seniorengerechtes Wohnen zu ermöglichen. Wenn wir immer mal verteilt in der Stadt Wohnungen zu Familienwohnungen verschmelzen, ist es nach außen nicht sichtbar. Und erweckt womöglich den Eindruck, als wären wir dort nicht so aktiv. Wir sind es aber. Und wir machen es mit Augenmaß. Immer dann, wenn wir das Gefühl haben, da passt noch was. Wir haben einmal ein ganzes Gebäude nur für junge Familien konzipiert, Am Hirschwinkel 20/21. Wir haben doch über ein dreiviertel Jahr gebraucht, bis die letzte Wohnung vermietet war. Es ist also nicht so, dass die Familien quasi schon Schlange stehen. Es gibt einen Bedarf, aber der ist doch sehr gleichmäßig.
Worauf sind Sie im nächsten Jahr am meisten gespannt?
Ob wir endlich mit dem Hafen weitermachen können. Ich denke, Corona wird uns noch eine Weile beschäftigen. Aber nicht so, dass wir im Frühjahr nochmal vergleichbare Einschränkungen haben werden. Am Hafen würde es uns gut tun, endlich die ersten Übernachtungskapazitäten aufbauen zu können. Auch das war ja für manche unbemerkt, wie wir in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich dort immer weiter investiert und die Rahmenbedingungen für die Wassersportler steig verbessert haben. Die großen Lagercontainer sind fast alle verpachtet. Schulen haben Angebote für die Schüler. Wir haben Trockenliegeplätze am Hafen in einer Größenordnung, dass wir flexibler reagieren können. Wir planen weitere Schwimmstege. Also sind wir permanent mit der Weiterentwicklung beschäftigt. Es wird einfach Zeit, dass wir diese tolle Kulisse auch den ersten Touristen für Übernachtungen anbieten können.