von Lisa Gutjahr, Birgit Löbe und Arne Myckert
In einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27.06.2017 (Aktenzeichen: S 45 AS 380/16) kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Ermittlung der Bezugsmieten durch den Kreis nicht nachvollziehbar sei. Und die Deckelung der Kosten der Unterkunft auf die für Görlitz ausgewiesenen Höchstbeträge damit rechtswidrig.
Diese Auffassung des Gerichts ist aus KommWohnen-Sicht nicht überraschend. Seit Jahren bemüht sich das Unternehmen um eine Anpassung der KdU auf eine angemessene, den tatsächlichen Verhältnissen in Görlitz entsprechende Höhe.
Zum besseren Verständnis dieser Position sind einige Hintergrundinformationen erforderlich:
Seit 1990 bis 2014 lagen die erstattungsfähigen Kosten der Unterkunft für die Stadt Görlitz durchgängig bei 3,82 Kaltmiete pro m².
Demgegenüber sind für diesen Zeitraum inflationsbedingte allgemeine Kostensteigerungen in Höhe von ca. 37 % (Quelle: www.destatis.de) zu verzeichnen. Auch die Mieten in der Stadt Görlitz sind über diesen Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Die daher mit Spannung erwartete erstmalige Anpassung der KdU-Sätze im Landkreis Görlitz zum 01.02.2015 brachte folgende Werte mit sich (hier im Vergleich zu der Anpassung vom 01.02.2017):
Zunächst fällt hier das Ungleichgewicht der Höhe der Kaltmiete der gegenübergestellten Städte des Kreises Görlitz auf.
2011 bis 2014 bemühte sich KommWohnen gemeinsam mit weiteren Akteuren auf dem Görlitzer Wohnungsmarkt um die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels. Nachdem die Struktur eines möglichen Mietspiegels gemeinsam erarbeitet wurde, scheiterte die Fertigstellung an der zu geringen Bereitschaft privater Vermieter, Daten für diesen Mietspiegel zur Verfügung zu stellen. Diese Daten waren jedoch erforderlich, um den gesamten Görlitzer Wohnungsmarkt repräsentativ darstellen zu können.
Erstellung eines Mietspiegels
Die in diesem Prozess gesammelten Erkenntnisse nutzte KommWohnen, um analog zu den erarbeiteten Kriterien eines Görlitzer Mietspiegels einen internen Mietspiegel zu erstellen. Auf dessen Grundlage, Daten vom größten Wohnungsanbieter im Kreis Görlitz, fällt eine Bewertung der vom Kreis Görlitz für die Stadt Görlitz ausgewiesenen KdU-Höchstbeträge leicht. Sie sind deutlich zu niedrig angesetzt.
Die Hoffnung von Mietern und Vermietern in Görlitz, dass sich durch die Anpassung der KdU-Sätze zum 01.02.2015 endlich marktgerechte Verhältnisse ergeben würden, hat sich erneut nicht erfüllt.
Tatsächlich haben sich im Gegenteil die Rahmenbedingungen weiter verschlechtert. Der Kreis regelt nicht nur die Höhe der Nettokaltmiete, sondern auch die Höhe der kalten Betriebskosten. Die Deckelung der kalten Betriebskosten beträgt seit 2009 kontinuierlich 0,93 €/m².
Der Betriebskostenspiegel des deutschen Mieterbundes (siehe unten) lässt folgende Schlussfolgerung zu. Addiert man alle kalten Betriebskostenpositionen (mit Ausnahme Hauswart, Aufzug, Heizung und Warmwasser) ergibt sich ein Gesamtbetrag der kalten Betriebskosten in Höhe von 1,15 €/m². Somit ist ein Fehlbetrag zu Lasten des Vermieters in Höhe von 0,22 €/m² zu verzeichnen.
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Auswirkungen auf die ohnehin niedrige Kaltmiete aufgrund der nicht sachgerechten Deckelung der kalten Betriebskosten. Da nur eine Gesamtposition der Bruttokaltmiete in der KdU-Richtlinie des Kreises ausgewiesen wird, reduziert sich die tatsächlich durch den Kreis übernommene Kaltmiete auf nur 3,68 €/m².
Tabelle 2– Vergleich bei Anpassung der KdU-Pauschale an die Betriebskosten des Deutschen Mieterbundes für Sachsen im Jahr 2014
Kein richtiges Vergleichsmietenverfahren
Statt die Höhe der kalten Betriebskosten endlich anzuheben, senkte der Kreis die Grundmiete im Vergleich zu 2015 für einen 3-Personen-Haushalt sogar noch um 6 ct von 3,96 €/m² auf 3,90 €/m².
Der hieraus resultierenden tatsächlichen Kaltmiete in Höhe von 3,68 €/m², die der Kreis als angeblich angemessene KdU ausweist, steht nach dem internen KommWohnen-Mietspiegel eine tatsächliche Miethöhe für eine teilsanierte 75 m²-Wohnung in Höhe von 4,44 €/m² gegenüber.
Es sähe anders aus, würde der Kreis bei einer korrekten Ermittlung der angemessenen Kosten der KdU nur tatsächlich vermietbare Wohnungen und gleichzeitig in angemessener Weise die Bestandsmieten der letzten vier Jahre (entsprechend dem Vergleichsmietenverfahren) berücksichtigen. Dann würde es für eine 3-Raum-Wohnung bis 75 m² bei einer angemessenen Miete von 4,44 €/m² sowie bei angemessenen kalten Betriebskosten in Höhe von 1,15 €/m² zu einer Gesamtbruttokaltmiete in Höhe von 419,25 € kommen.
Aus dieser Betrachtung ergibt sich durch den zu niedrigen Ausweis der KdU bei der zuvor betrachteten Wohnungsgröße ein monatlicher Fehlbetrag zu Lasten des Vermieters in Höhe von 52,50 €.
Dieser Betrag fehlt den Eigentümern nicht nur bei der Refinanzierung des baulichen Unterhalts der Gebäude. Er führt darüber hinaus auch zu einer schwindenden Bereitschaft der Vermieter, angemessenen Wohnraum für die Zielgruppe der Hartz-IV-Empfänger zur Verfügung zu stellen.
Aus Sicht von KommWohnen wird der Kreis Görlitz seiner sozialen Verantwortung an dieser Stelle nicht mehr gerecht.
Ungleichgewicht zwischen den Städten
Ein weiterer negativer Punkt der gegenwärtig ausgewiesenen KdU ist das Ungleichgewicht zwischen den Städten. Die nachfolgende Grafik stellt dies anschaulich dar:
Tabelle 3 – Vergleich KdU-Pauschale 2017 der Städte unter der Annahme gleicher Betriebskosten (1,15 €/m²)
Unter der realistischen Annahme gleicher kalter Betriebskosten in allen Kommunen des Kreises entsprechend der Ermittlung des Deutschen Mieterbundes erhöht sich bei Betrachtung der jeweils ausgewiesenen Bruttokaltmiete die tatsächliche Differenz zwischen den Städten noch einmal deutlich.
Es ist daher nicht überraschend, dass das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2017 zu dem Ergebnis kommt, dass die Ermittlung der Kosten der Unterkunft im Kreis Görlitz unsachgemäß und damit rechtsfehlerhaft erfolgt ist.
Hier ist der Landkreis in der Pflicht, ein System der Datenermittlung zu nutzen, das nicht länger zu rechtswidrigen Ergebnissen kommt. Die Höhe der Kosten der Unterkunft muss endlich ein marktgerechtes Niveau erreichen. Die Rechte der Mieter auf angemessenen Wohnraum werden derzeitig verletzt. Die Rechte der Vermieter auf angemessene Finanzierung des Bauunterhalts der Gebäude ebenfalls.