Die wilden Zeiten, in denen wir mit Corona, Energiekrise und Ukraine-Krieg leben, haben auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Deutschland. Um eine Bestandsaufnahme zu machen und Wege für die Zukunft zu finden, fand neulich ein Online-Workshop mit Vertretern aus ganz Deutschland statt. Eingeladen hatte das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) aus Darmstadt. In der Runde waren Vertreter der Bundesverwaltung, von Ministerien und mehreren Instituten, die diesen zuarbeiten. Praktiker wie Wohnungsunternehmen waren eher rar. KommWohnen hat sich beteiligt. Für Interessierte fassen wir die Ergebnisse des mehrstündigen Seminars in einer kleinen Artikelserie zusammen.
Teil 1/3: Wie wohnen wir derzeit?
“Wir erleben das Ende eines historischen Immobilienbooms”, sagt Projektleiter Rupert Eisfeld vom Darmstädter IWU. In den letzten beiden Quartalen 2022 hätte es einen großen Einbruch der Wohnimmobilienpreise gegeben. Durch niedrige Zinsen, Zuwanderung und geringe Bautätigkeit sei es bisher anders gewesen, doch nun – nach drei Jahren Krise – wandele sich das Bild. “Der Wohnungsmarkt ist auf dem Weg zu einem neuen Gleichgewicht aus Preisen, Zinsen und Mieten.” Wohneigentum sei nicht mehr so begehrt wie bisher.
Die wegbrechende Nachfrage und die hohen Baukosten vor allem durch hohe Materialpreise seien eine doppelte Herausforderung für die Baubranche. “Im Bauhauptgewerbe verzeichnet man derzeit fast 40 Prozent Einbruch bei den Aufträgen”, sagt Rupert Eisfeld. Energetische Sanierung und komplizierte Bauvorschriften seien weitere Kostentreiber. Zudem habe sich die Erschwinglichkeit von selbstgenutztem Wohnraum drastisch verschlechtert. In den vergangenen 20 Jahren sei die finanzielle Belastung unterm Strich immer sehr ähnlich gewesen, was vor allem an der Zinsentwicklung lag. “Nun gibt es einen Bruch.” Die Preise müssten um weitere 25 Prozent zurückgehen für die gleiche Erschwinglichkeit wie 2003 – bei gleichbleibenden Zinsen. Längerfristig seien jedoch hohe Zinsen zu erwarten.
Bestätigung kommt vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. “Baufirmen melden uns Kurzarbeit. Nicht flächendeckend, aber spürbar”, sagt Andreas Geyer, Hauptabteilungsleiter Wirtschaft. Zudem sei die Zahl der Auszubildenden nicht mehr auf dem Stand der 1990er Jahre. “Der Baubedarf wird mittelfristig aber hoch bleiben.”
Viele wollen ins Einfamilienhaus
Der wachsende Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte ließ Nachfrage und Verbrauch von Wohnfläche steigen. Nach wie vor beliebt ist ein alleinstehendes Einfamilienhaus, vor allem bei Familien. Auch weil Vier- oder Fünfpersonenhaushalte auf dem Mietwohnungsmarkt kaum passende Angebote finden, die dann auch noch bezahlbar sind. Doch diese Wohnform bringt Probleme mit sich. Es werden viele Ressourcen (Bauland, Baumaterial, Energieversorgung) für das Wohnen von vergleichsweise wenigen Menschen verbraucht. Denn wer im selbstgenutzten Wohneigentum lebt, wohnt in Quadratmetern gemessen häufig großzügiger als Menschen in Mietwohnungen (durchschnittlich 52qm pro Kopf, bei Mietern sind es 38,2qm). Und dessen sogenannter ökologischer Fußabdruck ist also größer.
In Zahlen: 2018 lebten “klassische” Familienhaushalte – vier Personen, Erwachsene zwischen 45 und 60 Jahren – zu 75% im selbstgenutzten Wohneigentum. Statistisch gesehen bleiben die Eltern auch im Haus, wenn die Kinder ausgezogen sind. Das heißt, dann steigt der Pro-Kopf-Verbrauch von Wohnfläche noch mehr. Immerhin: Die Neubauquote sinkt. Wohneigentum wird vor allem in gebrauchten Immobilien gebildet, zu 79%. Der Neubau liegt bei 21%. Zum Vergleich die Werte von 1994: Gebraucht: 49%, Neubau: 51%.
Seniorengerechte Wohnungen fehlen
Während das Interesse und die Finanzierbarkeit für Wohneigentum sinken, steigen zugleich die Mieten. Vor allem mit Beginn des Ukraine-Kriegs zeigt der Trend nach oben. Besonders in Großstädten, wo Wohnraum knapper ist als auf dem Land, sorgt das bekanntermaßen für Probleme.
Ein großes Problem bei der Wohnraumversorgung ist der Altersdurchschnitt unserer Gesellschaft. “In fünf bis zehn Jahren werden seniorengerechte Wohnungen extrem fehlen”, sagt Rupert Eisfeld vom IWU.
Abbildung oben: ©IWU Darmstadt
Hier geht es zu Teil 2: Wie hat Corona das Wohnen verändert?